Junge Patient*innen sind bei einer Krebsdiagnose nicht nur mit der Fragen nach der geeigneten Therapie konfrontiert, sondern plötzlich auch mit Fragen von Fertilitätserhalt und Familienplanung. Hier gilt es, oft unter enormen Zeitdruck, wichtige Entscheidungen zu treffen, die auch ethische Fragen berühren. Im Rahmen des Projekts „Fertilitätserhaltende Maßnahmen bei jungen Patient*innen mit Krebserkrankung – ethische und psychosoziale Aspekte von Aufklärung und Einwilligung” haben sich verschiedene Wissenschaftler*innen, Ärzt*innen und Patientenvertreter*innen mit der Frage befasst, wie man die Fertilitätsberatung für Onkologische Patient*innen optimieren könnte. Das Projekt wurde von der Deutschen Krebshilfe (DKH) im Rahmen des Förderschwerpunkt „Ethische Aspekte in der modernen Krebsmedizin“ gefördert. Geleitet wurde das Projekt von Prof. Dr. phil. Joachim Weis (Universitätsklinikum Freiburg) und Prof. Dr. med. Annette Hasenburg (Klinik für Poliklinik für Geburtshilfe und Frauengesundheit Mainz).
Meine Kollegin Christina Leppin und ich haben verschiedene Informations- und Kommunikationsangebote, wie z.B. Instagram oder Selbsthilfeforen, dahingehend analysiert, wie das Thema fertilitätserhaltende Maßnahmen aufgegriffen und diskutiert wird. Die Ergebnisse haben wir in einem Arbeitspapier dokumentiert. Sie geben Einblicke in die Informations- und Unterstützungsbedarfe von Betroffenen und Hinweise für die Fertilitätsberatung im onkologischen Kontext.
Zusammenfassung der Ergebnisse
- Die Informationsangebote zum Thema Fertilitätserhalt im onkologischen Kontext sind vielfältig: Betroffenen stehen umfassende und gut verständliche Informationen zu medizinischen, rechtlichen und organisatorischen Aspekten in Form von Ratgebern zur Verfügung. Ethische Fragestellungen werden allerdings nur am Rande behandelt.
- Die Qualität von Online-Informationen variiert deutlich: Bei der Online-Recherche stoßen Suchende auf Angebote von Gesundheitsportalen und medizinischen Informationsseiten sowie von kommerziellen Anbietern. Viele Beiträge sind teils veraltet und variieren hinsichtlich der Information und der praktischen Orientierung. Zudem finden sich nur wenige Informationen für männliche Krebspatienten.
- Beratungsstellen zu fertilitätserhaltenden Möglichkeiten werden oft erwähnt, aber die konkreten Verfahrensschritte bleiben unklar: Am häufigsten wird das Fertiprotekt-Netzwerk als Anlaufstelle genannt, insgesamt sind die Informationen zu Beratungsstellen jedoch uneinheitlich und wenig übersichtlich.
- In einzelnen Foren der Krebs-Selbsthilfe tauschen sich Betroffen über fertilitätserhaltende Maßnahmen aus, wobei organisatorische Aspekte (z. B. Kosten, Beratungsmöglichkeiten) im Vordergrund stehen. Ethische Fragen werden ebenfalls angesprochen, insbesondere das Risiko der eigenen Wiedererkrankung und einer Vererbung genetischer Risikofaktoren an die Kinder, die Bedeutung des Kinderwunsches für die eigene Lebensplanung sowie Fragen nach der Natürlichkeit medizinisch assistierter Fortpflanzung.
- Auf Instagram finden sich vielfältige Beiträge zum Thema „Kinderwunsch“, allerdings kaum im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung: Auffällig ist die z. T. umständliche und fehlende Benennung des Themas sowie das Fehlen eines Hashtags zu dieser Thematik, was eine zielgerichtete Suche nach relevanten Posts erschwert.
- Die Ergebnisse der Analyse geben wichtige Hinweise auf die Informationslage zum Thema Fertilität und Ethik in der Onkologie sowie auf die Informations- und Unterstützungsbedarfe der Betroffenen: Insbesondere bei der Analyse der Sozialen Medien wird ein großes Bedürfnis nach einem sozialen Austausch – auch über ethische Fragen – und gegenseitiger Unterstützung deutlich. Auch vor dem Hintergrund der individuellen Voraussetzungen erscheint eine ärztliche Beratung unerlässlich.
- Auf Grundlage der Ergebnisse lassen sich verschiedene Optionen zur Verbesserung der Fertilitätsberatung bei onkologischen Patient*innen ableiten: Empfehlungen werden u. a. in Bezug auf den Zeitpunkt der Beratung, das Beratungssetting, die zielgruppenspezifischen Informationsbedarfe sowie die Begleitung durch weitere bedarfsorientierte Informationsangebote formuliert.
Lampert, Claudia; Leppin, Christina; Weis, Joachim (2025): Fertilität und Ethik in der Onkologie. Eine Analyse ausgewählter Medienformate. Hamburg: Verlag Hans-Bredow-Institut, Juni 2025 (Arbeitspapiere des Hans-Bredow-Instituts | Projektergebnisse Nr. 78), https://doi.org/10.21241/ssoar.103190